Alastair Reynolds in Berlin
| von Wolf | (Kommentare: 0)
Das Ganze ging damit los, dass ich über das Lineup des Elstercons 2018 in Leipzig gestolpert bin. Da stand neben Boris Koch und Kai Meyer eben auch Alastair Reynolds. Leipzig. Hm … nicht soooo weit weg von Berlin.
Das Otherland kann Autoren zwar keine Gage für eine Lesung zahlen, aber Zugtickets und Übernachtung geht schon. Also ne Mail an Dirk Berger vom Elstercon raus und warten. Irgendwann kam dann über Dirk das OK von Alastair Reynolds: er und seine Frau würden gerne einen Zwischenstopp in Berlin bei uns machen.
Yipie!
Mit Charles Stross zehn Tage davor, Cixin Liu im Oktober und Simon im Urlaub rollte der Orga-LKW über uns weg: Hotel reservieren, Wasserturm klar machen, Bahnfahrt Berlin nach Leipzig buchen – prinzipiell alles kein Problem, wenn alles klappt. Klappt prinzipiell aber nie. Nach einem interessanten Orga-Overload stand ich dann also am Donnerstag um 16:30 mit einem Otherland-Logo-Schild am Flughafen, um die Reynolds abzuholen.
Man weiß ja nie, was einen erwartet - bisher waren wir aber immer überrascht, wie „normale“ unsere Starautoren sind – Kim Stanley Robinson ist ein vergnügter Plauderer, den man am liebsten jeden Freitag Abend auf ein Bier treffen würde, David Brin macht jedes Thema zu einem Schaufenster seines erstaunlichen Wissens und besitzt eine gesunde Prise Selbstironie, Charles Stross ist ein wandelndes Wikipedia, das man gerne nonstop befragen würde und Daniel Suarez ist so gar nicht der Adrenalienjunkie, den man aufgrund seiner Bücher erwarten würde.
Und nun also Alastair Reynolds und seine Frau Jossette, zum ersten mal bei uns. Erstmal rein ins Taxi und ab zum Hotel in der Yorckstraße – beide waren zuletzt vor 24 Jahren in Berlin und als ich mich im Taxi nach ihnen umdrehe sitzen sie Händchen haltend nebeneinander und Jossette sagt mit leuchtenden Augen: „Al, wir sind wieder in Berlin.“ In dem Moment hab ich mich ein bisschen in die Beiden verliebt :)
Nachdem wir ihr Gepäck im Hotel abgeworfen hatten, sind wir über die Bergmannstraße zum Otherland gelaufen, bis Jossette plötzlich auf dem Gehweg stehenblieb, mehrmals tief die Luft durch ihre Nase einsog und meinte – wo immer auch dieser Duft her kommt, da will sie nachher essen. Ich musste so lachen, weil sie so glücklich aussah. Und so saßen wir nach einem kurzen Besuch und Fotoshooting im Otherland beim Vietnamesen Huong Que und genossen den warmen Septemberabend und das hektische Treiben. Mit Alastair und Josette zu plappern, erwies sich schnell als Gespräch mit Freunden: Brexit, Familie, Science Fiction, Berlin, Arbeit und das Leben – tatsächlich dachte ich kurz daran, einfach so mit den beiden sitzen zu bleiben, noch ne Runde Bier zu bestellen und die Lesung ein andermal nachzuholen. Wirklich nur ganz kurz ;-)
Letztendlich haben wir es dann pünktlich zum Wasserturm geschafft, die Crew hatte schon den Büchertisch aufgebaut und alles klar gemacht und nach einer kurzen Willkommen- und Dankesrede (Riesendank an Heyne und die Otherland-Crew und den Wasserturm) übernahm Alastair Reynolds das Mikrofon – und, mann, war er gut – selten jemand so ehrlich und unverstellt auf Fragen antworten gehört, ohne auch nur ein bisschen Show oder Starallüren.
Beispielsweise auf die Frage:
„Viele Charaktere in ihren Büchern haben künstliche Gliedmaßen mit Erweiterungen – wie sind Sie da drauf gekommen und – falls es möglich wäre, würden Sie auch künstliche Gliedmaßen haben wollen?“
Reynolds: „Ich habe immer Piratenstories geliebt und die haben ja auch immer Holzbeine oder Hakenhände. Ich selbst bin mit mir ganz zufrieden so.“
Nachdem er etwa 10 Minuten aus dem noch unveröffentlichten Revenger 2 gelesen hatte, beantwortete er etwa anderthalb Stunden die Fragen aus dem Publikum und signierte dann noch bis 22:30 - für jede Signatur nahm er sich viel Zeit und plapperte noch ausgiebig mit jedem, der mit seinem Buch vor ihm stand. Josette und ich saßen derweilen am Rand und beobachteten alles :)
Danach noch ins Z auf ein Bier – für mich immer ein besonderes Highlight: Arbeit getan, jetzt kommt der gemütliche Teil, alle sind gespannt und die Geschichten sind immer lustig … etwa die, als Alastair Reynolds in London in einer Buchhandlung an der Kasse stand und der Typ vor ihm Chasm City von ihm in der Hand hielt, um zu bezahlen. Reynolds ist eigentlich sehr zurückhaltend, aber in dem Moment dachte er sich: reiß dich zusammen und mach mal ein bisschen Öffentlichkeitsarbeit. Also sprach er den Mann mit einem Lächeln an und meinte zu ihm: Wenn sie wollen, kann ich ihnen das Buch gleich signieren. Der drehte sich zu ihm um, schaute ihn von oben bis unten an und schnauzte ihn mit einem „Warum sollte ich das wollen" an. Reynolds lächelte weiter und sagte: „Ich bin der Autor des Buchs, Alastair Reynolds“. Darauf der Typ: „Nein, sind sie nicht.“ Und Reynolds hatte keinen Ausweis oder sonst etwas dabei, um zu beweisen, das er auch wirklich er ist. Also hielt er nach einem kurzen peinlichen Schweigen die Klappe und der Typ zahlte und ging wortlos weg.
Am nächsten Tag hab ich dann Alastair morgens vom Hotel abgeholt, und wir sind ins Otherland während Jossette noch im Hotel entspannte. Cappuccino vor der Markthalle und Gespräche über seinen Buchvertrag über 10 Titel, Hobby als Beruf … dann hat er noch alle übrigen Bücher von sich im Otherland signiert, bevor wir zurück zum Hotel sind und mit dem Taxi zum Hauptbahnhof um dort an der Spree noch einen weiteren Kaffee zu trinken.
Unglaublich, wie sich zu einem Autoren, den man ziemlich verehrt, eine sehr entspannte Freundschaft entwickeln kann – Alastair und Jossette machen es einem aber auch leicht, oder wie Jossette es auf den Punkt brachte: Wir sind ganz normal.
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