Daniel Illgers Skargat - Das Gesetz der Schatten
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Mit Das Gesetz der Schatten erscheint dieser Tage der zweite Band von Daniel Illgers Skargat-Trilogie. Band 1 hat mir ganz wunderbar gefallen – ein atmosphärischer Fantasy-Roman mit Schauerliteratur-Anklängen, einer wunderbar skurrilen Ader und einem interessanten, kein bisschen aufdringlichen philosophischen Unterbau. Ein zu Unrecht ausgestoßener Dorfjunge, durch dessen Adern dennoch finstere Magie strömt und der sich den Schädel eines kleinen Mädchens zur besten Freundin erwählt hat, ein auf den Hund gekommener, verbitterter Adelssohn mit dem weinvernebelten Willen, doch irgendwie das Richtige zu tun, und ein anmutiges und betörendes Mädchen aus gutem Haus mit gänzlich unromantischen Fressgelüsten – ein schöneres Figurenensemble kann ich mir schwerlich vorstellen, und besser als Daniel Illger kann man ihm kaum Leben einhauchen.
Nur war ich am Ende etwas überumpelt: Da hatte ich eine abgeschlossene Handlung erwartet – Rache für ein schauriges Verbrechen wollte genommen, ein finstermagischer Plan wollte vereitelt werden –, und stattdessen blieb am Ende nicht nur die Auflösung aus, sondern es wurde noch dazu ein ganz neues Fass aufgemacht. Mit einem Mal ging es um viel mehr, um die Unterwanderung und Verdrängung eines alten Bösen, das in Mythologie und Regelwerk der Welt seinen festen Platz hat und vom Schwarzen Jäger mit seiner Horde repräsentiert wird, durch eine neue, radikal andere Kraft … spannende Idee, aber wann erfahre ich mehr darüber?
Band 2, Das Gesetz der Schatten (in dessen Klappentext Skargat jetzt auch ganz offiziell als Trilogie ausgewiesen wird und der mir übrigens ganz genauso gut gefällt wie Band 1), schafft Abhilfe.
Die Handlung setzt unmittelbar nach dem Ende des ersten Bands ein und verfolgt die nunmehr weitgehend getrennt verlaufenden Wege von Mykar, Justinius und Vanice. Die Handlung fächert sich auf, und nur gelegentlich gibt es Berührungspunkte zwischen den Parallelsträngen.
Am auffälligsten ist dieses Auseinanderdriften bei Mykars Handlungsstrang – der zum Wiedergänger verwandelte ausgestoßene Dorfjunge mit dem verfinsterten Herzen befindet sich zu Beginn des Buches auf einer Reise, die ihn weit weg von allen anderen Protagonisten führt. Er hat einen Mordauftrag auszuführen und ist fest entschlossen, das Verbrechen zu begehen, weil man ihm dafür ein Mittel versprochen hat, mit dem er Rache an seinem Feind Rudrick nehmen kann. Mykars Reise ist einsam – nur der Geist des Hexenmädchens Danje, deren Schädel er treu sorgend bei sich trägt, begleitet ihn –, und Illger versteht es, vieles von dem, was sich in Mykar abspielt, durch die Veränderungen von Landschaft und Wetter und seine kurzen Begegnungen mit Fremden zum Ausdruck zu bringen. Mykars Handlungsstrang entwickelt dadurch eine gewisse Sinnlichkeit, und der Wandel der Figur vollzieht sich mit der Wiederentdeckung kleiner Annehmlichkeiten – Wärme, gute Geschmäcker, Düfte und menschliche Nähe.
Während Mykars Geschichte zumindest vorerst vom Kern des großen Haputkonflikts fortführt, stürzt Justinius, der verstoßene Adelssohn und Säufer, sich mitten hinein und mausert sich dabei zum großen Sympathieträger des zweiten Bandes. Zwar nicht körperlich, aber moralisch ist er dabei der Bruce Willis von Skargat: Da kann noch so oft der scheinbar letzte Hoffnungsschimmer vor seinen Augen verglimmen, da kann er sich noch so oft die Schuld an seinem Scheitern geben und sich im Sarkasmus suhlen, irgendwie rafft er sich anschließend zum nächsten Versuch auf, ein Held zu sein.
Da ist es ein bisschen hart, dass man sich im Mittelteil des Buches über viele Kapitel hinweg von ihm trennen muss. Hier gehört die Bühne vor allem Vanice, deren Geschichte in Das Gesetz der Schatten zwar eine enorme emotionale Intensität, aber auch etwas Herumirrendes hat. Obwohl wir Neues und Aufschlussreiches über sie erfahren, bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, was ich von dieser Figur halten soll – da muss wohl erst der dritte und abschließende Band der Trilogie her.
Auch zwei neue Figuren werden in Das Gesetz der Schatten eingeführt: die Luziera, ein uraltes Geschöpf der Finsternis, dass die Ereignisse mit ironisch-distanziertem Blick verfolgt, und Halig, ein reichlich naiver Totengräber, der wider Willen zum Streiter des Lichts berufen wird ... die Kapitel um erstere sind subtil, atmosphärisch und – auch, wenn das paradox klingt – irgendwie düster-erheiternd, was sie zu absoluten Glanzmomenten macht. Die Figur des Totengräbers ist dagegen durchaus amüsant, aber hier trägt der Witz um die Diskrepanz zwischen der Figur und ihrer Mission in meinen Augen nicht weit genug. Mag sein, dass Illger in Band 3 noch Wichtiges mit Halig vorhat, vorerst bleibt sein Anteil an der Geschichte eher unbefriedigend.
Verbindendes Element der verschiedenen Handlöungsstränge ist die Bedrohung, an der sich alle Figuren auf die eine oder andere Art abarbeiten und die in einem Prolog, der mit albtraumhafter Gemächlichkeit immer tiefer in eine menschliche Hölle schreitet, genauer charakterisiert wird. Bedrohung, Finsternis, das Böse – das klingt alles so abgedroschen, aber Illger erschafft hier durchaus etwas Ungewöhnliches, denn wenn das Böse auch aus geheimnisvollen Abgründen emporsteigt, existiert es doch nur in dem Verhältnis, das die Menschen zu ihm einnehmen. Überhaupt, das Böse – da sind die beiden Skargat-Bücher wirklich gut im Ausloten von Begriffen und Spielarten, ohne dass dafür groß philosophiert werden müsste. Die Motive sind durchaus bekannt: Das Unaussprechliche, das gedankenlos Grausame, die pure, mythische Gewalt der Natur, das Uralte, jenseits menschlicher Moral Stehende, und natürlich auch die Gegenkräfte von Anteilnahme und Heldentum. Illger dreht und wendet sie, lässt sie in ganz verschiedenen Kombinationen aufeinandertreffen und erzeugt dabei Neues aus dem Vertrauten. Klar, der Einheitskult des Reiches hat auf grausamste Weise den alten Naturglauben verdrängt, böse in einem mythischen Sinne ist er deshalb noch lange nicht – ganz im Gegensatz zu manchen dem einfachen Volke weit näherstehenden Teufels- und Dämonenkräften. Was nun aber das Schrecklichste, Erbarmungsloseste von all dem ist, das entscheidet sich in den Konfrontationen immer wieder neu. Sogar das selbstlose Heldentum kriegt an einer Stelle überraschend sein Fett weg und erscheint plötzlich wie eine recht zwielichtige Sache.
Was mir aber besonders gefällt, ist, dass diese Themen in Skargat (fast) ganz ohne die Drastik und den Zynismus behandelt werden, der in der Fantasy der letzten Jahre so verbreitet ist. Die Handlung von Das Gesetz der Schatten ist – mehr noch als die des ersten Bandes – vom Grausamen und Grausigen durchdrungen, aber die Figuren sind keine abgeklärten, knallharten Dreckskerle (bei denen es sich ja oft auch nur um die Wendefolie zu den strahlenden Helden handelt), sondern ziemlich richtige Menschen.
Daniel Illger
Skargat - Das Gesetz der Schatten
Klett Cotta, Paperback, Euro 17,95
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