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Was nicht zusammen gehört ...

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Das Berlin Sci-fi Filmfest ist eine kleine, hoffnungsvolle Veranstaltung, welche dieses Jahr zum zweiten Mal stattfindet. Gezeigt werden an zwei Tagen nationale und internationale Science Fiction-Filme, größtenteils kleinere aktuelle Produktionen, aber auch etwas älteres Material. Unter anderem soll heute, am 16.11. der Film "The Worlds Of Ursula K. Le Guin" laufen, ein per Kickstarter finanzierter Dokumentarfilm über die dieses Jahr viel zu früh verstorbene Koryphäe der phantastischen Literatur.

So weit, so gut. Leider zeigen die Veranstalter des Filmfests die Doku im Double Feature mit "Famous Monster“ von 2007, einer Huldigung des vor allem in Horror-Kreisen bekannten (und 2008 verstorbenen) Forrest J. Ackerman. Eine ungeheure Fehlleistung: Denn wie Anfang diesen Jahres bekannt wurde, hat Ackerman in seiner aktiven Zeit immer wieder junge Frauen sexuell belästigt sowie fleißig per Post unerwünschte Pornographie verschickt (wegen letzterem wurde er bereits 1961 rechtskräftig verurteilt). Diese Vorwürfe wurden von mehreren im Genre aktiven Personen bestätigt. Darüber hinaus gibt eine Fülle an Stellungnahmen, die sich wenig überrascht über diese Vorwürfe zeigen, denn schon seit Jahren kursieren entsprechende Geschichten über Ackerman. Zu seinen Lebzeitigen wurde die Problematik nur nie klar und offen angesprochen, weil Ackerman und seine Fans derartige Kritik unterdrückten und die Kritiker angriffen. Als Protagonist und Herausgeber innerhalb der Horror- und SF-Community war Ackerman für viele eben „einer von uns“, was offenbar schwerer wog.

Es geht uns gar nicht so sehr darum, die Person Forrest J. Ackerman ins Zentrum einer Kritik zu rücken. Entscheidend ist, dass Ackermans Verhalten und das Verhalten der Community stellvertretend sind für einen systemischen Sexismus, der Erniedrigung und Ausschließung von Frauen durch sexuelle Angriffe einschließt. Vergegenwärtigt man sich, dass Frau Le Guin ihr ganzes Leben lang gegen eben diesen Sexismus gekämpft hat, wird das Double Feature von „The Worlds of Ursula K. Le Guin“ und „Famous Monster“ als Schlag ins Gesicht für sie und für die Menschen, die sie inspiriert hat, erkennbar. Wie sollen sich Frauen fühlen, die als Fans von Le Guin einen Film über ihr Leben sehen wollen, und sie mit Ackerman im Doppelpack präsentiert bekommen? Durch ihre Programmgestaltung schreiben die Veranstalter des Filmfests den alltäglichen Sexismus fort.

Auf diese Probleme angesprochen, haben sich die Veranstalter des Filmfests zu einem wortakrobatischem Schlingerkurs entschlossen. Mal ist die Rede davon, dass man um die Vorwürfe wisse und sie schrecklich finde, ein andermal wieselt man sich mit wenn-das-mal-alles-so-stimmt durch und findet außerdem, dass "privates Verhalten" und Entertainment unbedingt getrennt gehörten, weil man ja sonst auch keine Filme von Harvey Weinstein mehr zeigen dürfe. Klassisches Willnixwissentum gepaart mit stoischem Undwennschon. Wie immer wurde auch erklärt, dass man nicht zensieren wolle; als handele es sich bei der Kontextualisierung von Werken – und nötigenfalls auch der Neukontextualisierung, z.B. durch Herauslösen aus einem Double Feauture – um Zensur.

Die einzige Konzession, zu der sich das Festival nach zahlreichen Protesten hat bewegen lassen, ist es, zwischen den beiden Filmen auf Ackermans Verhalten hinzuweisen, damit diejenigen, welche ihn nicht auf der Leinwand glorifiziert sehen wollen, das Kino verlassen und darüber diskutieren können – gezahlt haben sie für den Film dann allerdings schon. Man wolle ja offene Diskussionen. Zu einer Erwähnung dieser Maßnahmen im offiziellen Programm oder auf der Homepage hat es bisher nicht gereicht. Das wäre dann wohl zu viel der Offenheit.

Die Entscheidung, „Famous Monster“ zu zeigen, sei dem Berlin Sci-Fi Filmfest unbenommen; eine kritische Einordnung der Person Ackerman wäre dabei sicher wünschenswert, aber nicht einmal das ist zwingend. Dass der Film aber ohne jede Thematisierung zusammen mit „The Worlds of Ursula K. Le Guin“ präsentiert wird, ärgert uns als Le Guin-Fans maßlos – und dass die Veranstalter auf Kritik nur lapidare Antworten liefern, die keinerlei Problembewusstsein verraten, stimmt uns ehrlich gesagt in erster Linie traurig. Von einem so frischen Festival sollte man eigentlich auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Themen wie Sexismus und sexualisierter Gewalt erwarten dürfen. Aber im November 2018 scheint TimesUp beim Berlin Sci-fi Filmfest noch nicht angekommen zu sein.

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